Bewertung Pilotversuch Aachen

  • 2003/01-01
    Bewertung Pilotversuch Aachen
    Landesfeuerwehrverband


    Bewertung Pilotprojekt Aachen


    Die Kreisbrandinspektoren, Leiter der Berufsfeuerwehren bzw. deren Beauftragte und der Vertreter des Hessischen Ministeriums des Innern, Ministerialrat Detlev Schneider, haben sich am 4. und 5. November 2002 in Aachen über das Pilotprojekt Digitalfunk informiert. Dazu gehörten die Besichtigung der Leitstelle des Polizeipräsidiums, ein Gespräch in der Wache der Berufsfeuerwehr Aachen, Einführungen und Detailerläuterungen von Seiten der Projektleitung des Landes Nordrhein-Westfalen sowie die Besichtigung der Leitstelle Kreis Aachen mit den Verbindungen zwischen Analog- und Digitalfunk und Fahrzeugeinbauten.


    Folgende Vorgaben (gem. bestehendem Anforderungskatalog) sollte das Digitalfunksystem - Pilotprojekt Aachen mindestens erfüllen:


    verbesserte Sprachkommunikation
    Datenkommunikation
    Kommunikation ohne Netz (Direct Mode) = bisheriger Einsatzstellenfunk
    Telefonie
    Paging (sofortige stille Alarmierung)
    Verschlüsselung
    Dynamische Gruppenbildung
    Weitere detailliertere Anforderungen sind vorhanden, jedoch nicht relevant für diese Aufzählung.


    Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Feuerwehren/ Rettungsdienste nur mit rund 5 % der Anzahl der Geräte am Pilotprojekt teilnehmen. In der Praxis haben die Feuerwehren allerdings die höchste Anzahl von Funkanlagen (ca. 60-70% der Endgeräte).


    Feuerwehrleute erstaunt


    Folgende Ergebnisse sind aufgrund des Besuches und der Gespräche festzustellen:


    Eine deutlich verbesserte Sprachkommunikation wird bestätigt - jedoch kann die Inhouse-Versorgung derzeit nicht im erforderlichen Rahmen sichergestellt werden.


    Die Datenkommunikation ist nach dem derzeitigen Sachstand von der Übertragungsgeschwindigkeit stark begrenzt. Dies entspricht nicht den Anforderungen und ist nicht vergleichbar mit einem Handy-Standard.


    Die gleichzeitige Sprach-und Datenübertragung ist noch in der Erprobungsphase.


    Kommunikation ohne Netz ist möglich (DMO).


    Telefonie - wird sicher möglich sein, eine Frage der Endgeräte.


    Paging - ist im derzeitigen Ausbaustand nicht sichergestellt. Es konnte kein Pager vorgestellt werden, der funktionsfähig ist und beim Pilotprojekt eingesetzt wurde. Außerdem erfolgte die klare Aussage, dass derzeit ein Paging im bekannten und bisherigen Umfang nur sehr schwer möglich wäre. Auch wenn dies Auftragsbestandteil gewesen sei, sei es günstiger, eine Vertragsstrafe zu zahlen, als dieses Merkmal zu erfüllen. Der Versuch eines Gruppenanrufes von 47 eingebuchten Teilnehmern dauerte 17 s - das blinde Senden nur 1 s. Drückt allerdings ein Teilnehmer eine Sprechtaste, ist die gesamte Alarmierung unterbrochen.


    Verschlüsselung ist kein Leistungsmerkmal der Feuerwehr.


    Dynamische Gruppenbildung - ist nicht möglich (Test am 16. 7. 2002). Die Gesamtbedienung der Funkanlagen ist durch die Unübersichtlichkeit sowie die kleinen Endgeräte sehr schwierig, wobei auch hier immer eine Menübedienung erforderlich ist.


    Eine Überlast ist schnell erreicht (bei zwei HF-Trägern mit jeweils vier Zeitschlitzen). Für andere Teilnehmer ist nicht erkennbar, dass ein Zugang zum Netz überhaupt nicht möglich ist.


    Eine problemlose Koppelung Digitalfunk und Analogtechnik bei den Leitstellen ist möglich.


    Von Seiten der Deutschen Feuerwehren (DFV) gibt es einen eindeutigen Anforderungskatalog, der seit Beginn des Pilotprojektes bekannt ist - auch wenn dies bestritten wurde.


    „Entspricht nicht den Anforderungen"


    Abschließend ist festzustellen, dass die beim Pilotprojekt Aachen vorgestellten Systeme nicht den Anforderungen der Feuerwehren -aber auch nicht denen der Hilfsorganisationen im ehrenamtlichen Bereich - entsprechen. Insbesondere ist das Paging als zwingende Forderung in keiner Weise enthalten. Paging ist eine Grundforderung, und es darf hierfür -auch aus Kosten- und Infrastrukturgründen - kein zweites Netz (nur für Paging) installiert werden. Neben den erheblichen Systemkosten sind die Vorteile von Tetra 25 derzeit nicht erkennbar, da die Anforderungen nicht erfüllt wurden. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob das System bis zur Einführung nicht technisch überholt ist, da die Grundzüge dieser Technik bereits Anfang der 90er-Jahre entstanden sind.


    Der Leiter des Pilotprojektes vermittelte aufgrund seiner Aussagen den Eindruck, dass der Bereich Feuerwehr in keiner Weise entscheidungsrelevant wäre. Ihm waren -oder er wollte den Eindruck vermitteln - die Strukturen des Feuerwehrsystems sowie der Hilfsorganisationen nicht bekannt.


    Bewertung


    Aufgrund des gezeigten Sachstandes darf eine Übernahme dieses Pilotprojektes als neues Digitalfunksystem aus unserer Sicht derzeit aus finanziellen und technischen Gesichtspunkten nicht erfolgen. Es sollte mit anderen möglichen Systemen verglichen werden. Gewarnt wird ausdrücklich davor, ein uneinheitliches oder ein „Minimalsystem" zu schaffen.


    LFV Hessen


    Quelle: FLORIAN HESSEN 1/2003


    Anmerkung von SWISSPHONE: Ein separates Paging-Netz auf der Basis des POCSAG-Standards erfüllt in vollem Umfang die technischen Anforderungen der BOS. Die Investitionskosten für bundesweite Pagingnetze betragen nur 1/10 der Kosten einer vergleichbaren TETRA-Lösung.